Brandbrief zur SPD-Russland-Politik

„Willkürlich“, „erratisch“ und „nicht selten faktisch falsch“.

Mit diesen Attributen charakterisieren der Historiker Heinrich August Winkler und vier weitere sozialdemokratische Fachkollegen in einem Offenen Brief die Argumente und Begründungen des Kanzlers und der SPD-Bundestagsfraktion in der aktuellen Ukraine- und Russlandpolitik.

Von „Zeit“ und „FAZ“ über „Bild“ bis hin zu den Öffentlich-rechtlichen haben die Medien darüber berichtet. Man wolle mit den Historikern ein Gespräch führen, lässt die SPD-Führung verlauten. Es ginge hier allerdings nicht um einen Meinungsaustausch, sondern um die Einsicht, dass der Frieden und die Zukunft Deutschlands und Europas vom Sieg der Ukraine abhängen. Das nicht begriffen zu haben oder nicht begreifen zu wollen, werfen die Historiker der alten Tante vor und zwar zu Recht.

Dort, wo Klarheit und Eindeutigkeit in der Ukraine- und Russlandpolitik vonnöten wären, bleibt der Kanzler vage, dort aber, wo es geboten wäre, Putin im Nebel stehen zu lassen, gibt er ihm Zucker: Anstatt sich öffentlich eindeutig für einen Sieg der Ukraine auszusprechen, bleibt der Kanzler im Ungefähren, während er sowohl die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern als auch die von Emmanuel Macron psychologisch-taktisch ins Spiel gebrachten westlichen Bodentruppen kategorisch ausschließt. Rote Linien für Deutschland und nicht für Russland zu ziehen, so die Historiker, spiele Putin in die Hände.

Die von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kürzlich im Bundestag vorgetragene Schnapsidee, man könne den Krieg in der Ukraine einfrieren, um ihn später zu beenden, ist eine der für diesen Mann und vielleicht für einen beträchtlichen Teil der Parteigenossen typische Weigerung, jahrzehntealte Illusionen aufzugeben, die Wirklichkeit wahrzunehmen und mit dem freihändigen Denken zu beginnen. „Realitätsverweigerung“ lautet eines der harschen, aber treffenden Urteile der fünf Historiker.

Kein Vermögen zur Fehlerkorrektur

Für die Richtigkeit dieser Einschätzung der Lage, in der sich die Sozialdemokraten befinden, spricht die Ankündigung des langjährigen SPD-Politikers Michael Roth, das Handtuch zu werfen und nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren. Um Roth ist es deshalb schade, weil er sowohl in der Ukraine-Politik als auch in der Israel-Politik gegen den Strom der Partei geschwommen ist. Nun wird die inzwischen nicht mehr liebenswerte alte Tante absehbar ungestört von den kritischen Einsprüchen Roths ihre Traumtänzereien aufführen können.

Das Vermögen zur Fehlerkorrektur und zum öffentlichen Eingeständnis, überhaupt schwerwiegende Fehler begangen zu haben, gehört leider nicht zu den Tugenden, die Menschen in Parteiapparaten nach oben in die wichtigsten Entscheiderpositionen befördern. Weil der Aufstieg in hohe Ämter aber zusammen mit der auskömmlichen Versorgung die Motive zu vieler – nicht aller – Spitzenpolitiker sind, wird sich daran so rasch nichts ändern. Schließlich erhält man keinen Listenplatz, wenn man zu öffentlich und zu oft eigenständig denkt.

Dabei wäre gerade das die Rettung der Parteiendemokratie. Politiker wie Mützenich, Steinmeier, Scholz et al sind zu lange in Spitzenämtern, als dass sie Zeit für eine gründliche, nicht nur oberflächliche und auf der Ebene von Lippenbekenntnissen angesiedelte Revision der sozialdemokratischen Russlandpolitik leisten könnten. Sie besetzen fast alle länger hohe Ämter als Angela Merkel Kanzlerin war, weil die SPD im Bund mit Ausnahme der vier Jahre von 2009 bis 2013 seit 1998 an der Regierung beteiligt gewesen ist.

Es wird Zeit, dass die alte Tante das Regieren lässt und sich eine Auszeit zum Nachdenken über ihre Fehler und zum Überarbeiten ihrer Grundsatzpositionen nimmt.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Sylke Kirschnicks Blog.

Sylke Kirschnick hat über Orientalismus, deutsche Kolonialgeschichte, jüdische Schriftsteller und Judenfeindschaft geschrieben.

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Leserpost

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Horst-Dieter Knäpper / 28.03.2024

Wie kann man nur auf die blödsinnige Idee kommen, die korrupte Diktatur Ukraine könnte den selbst verursachten Krieg gewinnen? Von wegen dort werden demokratische Werte verteidigt, höchstens “Unsere Demokratie”. Die Ukros sperren Oppositionelle Weg. Führen seit 2014 eine brutalen Krieg gegen russischsprachige Bevölkerungsteile mit mit bis zum jetzigen Krieg 14.000 getöteten Zivilisten. Veboten russische Sprache,  Presse und jede Opposition und liessen das Land von US Konzernen zum Schaden der eigenen Bevölkerung ausplündern. Dieses einseitige Einprügeln auf die russische Seite ist einfach unerträglich. Selbst die linken MSM haben bis kurz vor dem russischen Eintreten für Russen in der Ukraine, haben diese Probleme, bis auf die linke Machtergreifung auf dem Maidanek 2014 oft genug thematisiert. Dieser Konflikt ist gewollt, dieser Konflikt hätte bei bedachter Politik verhindert werden können. Abgesehen davon, was haben wir mit den Ukros zu tun? Die sind weder in der Nato(Gott sei Dank) noch in der EU, oder in irgendeinem anderen Bündnis mit uns. Wenn die meinen, sie müssen die Russen (mit heimlicher Unterstützung des Westens), dann müssen sie halt die Folgen tragen, wer amerikanischen “Demokraten” (Also der Kriegstreiberpartei in den USA) allen voran dem Obama und seiner jetzigen Marionette Biden vertraut, muss halt lernen wo der Hammer hängt. Es gibt keine Veranlassung Deutschland zu zerstören um Ukro Oligarchen helfen an der Macht zu bleiben und und in bester rotgrüner Manier ihr Volk zu verraten!

E Ekat / 28.03.2024

im Moment dürfte die Stabilisierung der Meinungsumfragen, die SPD betreffend, hauptsächlich in der Weigerung von Scholz liegen,  gegen Rußland aufzuziehen. So dünn ist der Faden, an dem die SPD, und womöglich die BRD und mehr noch hängt. Reißt dieser Faden, dann stellt sich die einfache Frage für Rußland, auf welche Weise es seinen Untergang herbeiführt.  1. Die Hände in den Schoß legen, Einfach aufgeben, um dann zusammenzufallen. Oder: 2. Letztlich doch kämpfen müssen mit allen Mitteln. Das Drohen des Westens ist die Hoffnung, Variante 1 zu erhalten.  Ich bin alt. Viele irre Sachen erlebt. Ich befürchte, ich werde noch Weiteres erleben. Also, macht mal hinne.

Jörg Göhzold / 28.03.2024

Nachdenkseiten: ” Historiker biedern sich bei Militaristen an”.  Treffender kann man das Thema kaum darstellen. Aber leider: Die Achse mal wieder stecken geblieben im ideologischen Schwarzwerdesumpf.

Steve Acker / 28.03.2024

Realitätsverweigerung betreiben all die die meinen dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen kann. Ich muss immer wieder an die Szene mit dem Schwarzen Ritter bei Monthy Python denken. der schwarze Ritter will partout nicht aufgeben,  und Artus schlägt ihm nach und nach Beine und Füsse ab. Die ukraine ist wie der schwarze Ritter und der Westen feuert sie weiter an. Die einzige Möglichkeit dass sich was ändern könnte, wäre wenn die Nato “all in” gehen würde-. Dann eskaliert das aber bis zum 3. Weltkrieg. Sind wir bereit für die Ukraine in den Untergang zu gehen ? Für die Russen ist die Sache existenziell, nicht so wie in Afghanistan. . Daher werden die niemals nachgeben. Wenn sie sich zurückziehen würden, würden die Ukrainer den Osten ethnisch säubern, Millionen Menschen vertreiben, die da seit Generationen leben. Und die Amis dann gleich Raketen aufstellen. Vielleicht würde dann Putin gestürzt, aber dann kommen die richtigen Hardliner ran, und dann wird es krachen. Russland kann man nicht besiegen, wie einst Hitler-Deutschland. Daher sind all die Vergleiche mit dem zweiten Weltkrieg unsinnig.

Horst Kruse / 28.03.2024

Nach fast 40jähriger ziemlich aktiver Mitgliedschaft bin ich aus der SPD ausgetreten . Wenn ich sehe , mit welcher Intensität aktuelle ” Spezialdemokraten der Kriegslüsternheit frönen , überkommt mich nur noch das kalte Kotzen .

Josef Gärtner / 28.03.2024

“,,, dass der Frieden und die Zukunft Deutschlands und Europas vom Sieg der Ukraine abhängen”. Ach Politik kann so einfach sein, wenn man derartige Aussagen einfach so raushauen kann, ohne sie begründen zu müssen.

Lutz Liebezeit / 28.03.2024

Wenn wir so weitermachen, kommen wir nirgendwo an. Dann fliegt uns hier alles um die Ohren. Wir müssen von der Kriegsrethorik wegkommen. / Ich nehme mir meine Friedensfahne und gehe auf den Ostermarsch.

Peter Faethe / 28.03.2024

Die derzeitige Situation wird ausreichend beschrieben durch den Titel eines Buches, das während der Agonie der Weimarer Republik erschien: “Die Herrschaft der Minderwertigen” von Edgar Julius Jung.

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