Die Spaltung der Gesellschaft in Sachen Gendern wird von Politik und vielen Medien geschäftsmäßig betrieben und künstlich aufrecht erhalten. Denn die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Gendersprache ab. Doch mittels Volksentscheiden können Bürger etwas dagegen tun.
Der Begriff „wetterfest“ strahlt Zuversicht und Kompetenz aus. Er vermittelt Hoffnung und das wehrhafte Gefühl, dass man sich gegen schlechtes Wetter und Klimaschäden schützen kann. Auch gegenüber dem zunehmend rauen gesellschaftlichen Klima, das die Atmosphäre im sozialen Umgang bestimmt, und gegen die Erosion der Demokratie wünscht man sich Wetterfestigkeit. Denn ausgerechnet an den Grundfesten, beim Allgemeingut deutsche Sprache, hat sich in den letzten Jahren zunächst unter dem Radar der Öffentlichkeit ein inkrementeller Riss vollzogen, dessen Ausmaß und dramatische Auswirkungen nach und nach auffallen und schockieren.
Seit einem Vierteljahrhundert etwa bedienen sich Politik, Verwaltung, Bildung und öffentlich-rechtliche Medien über die Köpfe der Bürger hinweg in zunehmendem Maße der sogenannten geschlechtergerechten Sprache. Zunächst verwendeten sie statt allgemeiner Aussagen Dopplungen wie Bürgerinnen und Bürger als Ersatz für die grammatische Form des generischen Maskulinums. Damit führten sie eine Sexusmarkierung auf sprachlicher Ebene in die öffentliche Kommunikation ein, die eigentlich der sozialen Ebene galt, der Geschlechterrolle, dem Gender. Stand heute gibt es zahlreiche verwirrende und widersprüchliche Varianten der sogenannten Gendersprache, wahlweise auch „inklusive Sprache“. Sie soll nicht nur Frauen „sichtbar“ machen, sondern auch sexuelle Orientierungen wie LGBTQIA+ repräsentieren, wobei das Plus für etwaige weitere Opfergruppen steht.
Das sehr aufwendige Aktionsprogramm DEI (Akronym für Diversity, Equity, Inclusion, zu Deutsch Vielfalt, Gerechtigkeit, Inklusion) will „Vielfalt“ auf allen gesellschaftlichen Ebenen implementieren, vorzugsweise weltweit. Derlei forcierte Identitätspolitik schränkt allerdings Gleichberechtigung und freiheitliche Lebensweisen immer mehr ein. Sie kommt praktisch einer schleichenden Abwicklung demokratischer Grundrechte gleich. Das Medium Sprache muss für eine exzessive Identitäts- und Sexualpolitik herhalten. Divide et impera. Eine Gendersprachvariante so unverständlich wie die andere, verweisen alle auf die jeweiligen Weltbilder hinter den sprachlichen Blähungen, vom frühen Feminismus (es sei lästig, die Männer immer mitzuerwähnen, deshalb solle nur die weibliche Form verwendet werden) über Transgenderismus (Mitarbeiter*in, Professx) bis zum Wokismus (zur Zeit gilt das große S beim Adjektiv schwarz als Kriterium für „sensible Sprache“, „weiß“ soll aber als Zeichen der Abwertung weiter klein geschrieben werden, da Weiße als inhärent rassistisch gelten).
Ein Volk von Mündeln
Die grammatische Form des generischen Maskulinums zum Verschwinden und überhaupt alles auch nur vermeintlich Männliche für immer in Verruf zu bringen, ist nicht Kollateralschaden, sondern erklärtes Ziel, von der Auflösung der geschlechtlichen Bipolarität und dem radikalen Umpflügen funktionierender sozialer Ordnungen und bewährter Prozesse ganz zu schweigen. Dabei wird nicht nur eine Weltsprache zuschanden geritten und der soziale Frieden verspielt. Das für den Geschlechterkulturkampf usurpierte Allgemeingut Sprache will Macht erzwingen, analog zu Hermann Gesslers Hut: „... dass sie den Nacken mir lernen beugen, den sie aufrecht tragen.“ Heutzutage sollen die Bürger sich allerdings nicht einem einzelnen Tyrannen beugen, sondern einem übergriffigen Staat, der die Souveränität des Volkes unterläuft, wo er nur kann, und der die mitverursachten Krisen stets eskaliert statt zu mildern, wobei er immer wieder zeigt, dass er lieber ein Volk von Mündeln anstatt von mündigen Bürgern hätte.
Seit Jahren bringen verärgerte Bürger massenhaft Beschwerden, Aufrufe und Petitionen gegen die Gendersprachlenkung auf den Weg, was allerdings bisher nicht dazu führte, dass man vom Gendern abließ. Im Gegenteil, einschlägige Erfüllungsgehilfen verstärken unter dem Vorwand von Wissenschaftlichkeit, sozialer Gerechtigkeit und bildungspolitischer Notwendigkeit ihre Anstrengungen noch, um den elitären Jargon nun erst recht flächendeckend durchzusetzen, den die Bürger nach dem Muster der Orwellschen Dystopie längst als Neusprech erkannt haben. Dabei werden dem Genderneusprech die meisten Türen von innen geöffnet. Die Charta der Vielfalt für „Arbeitgebende“ und „Arbeitnehmende“ unter der Schirmherrschaft von Olaf Scholz forciert zum Beispiel die „Implementierung inklusiver Sprache“ in der Wirtschaft. Etliche Großkonzerne sind Mitglied des gemeinnützigen Vereins.
Die Einführung ins Bildungssystem könnte der Rat für deutsche Rechtschreibung (RfdR) besiegeln, ein international besetztes Gremium und Herausgeber des amtlichen Regelwerks für die deutsche Rechtschreibung. Sein Regelwerk ist normgebend und verbindlich in Bildung, Verwaltung und Rechtsprechung. Er soll zuallererst die Einheitlichkeit der deutschen Sprache im gesamten deutschen Sprachraum bewahren. Entsprechend bekräftigte er mit seinem „Ergänzungspassus Sonderzeichen“ jüngst, dass Gendersonderzeichen nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie gehören, räumte ihnen aber ein, dass sie, „eine über die formalsprachliche Funktion hinausgehende metasprachliche Bedeutung zur Kennzeichnung aller Geschlechtsidentitäten“ vermitteln.
Pappkameraden! Kein Wunder, dass die normgebende Regelungskompetenz des Rats zunehmend missachtet wird und dass es so über die Jahre in der Praxis zu einer schier unüberschaubaren Bandbreite von Schreibungen und Sprechweisen in den einzelnen Bundesländern kommen konnte. Gleichzeitig verfestigte sich die Verschränkung von Sprache und genderqueerfeministischen Ideologien an Universitäten und Schulen, flankiert zum Beispiel von bildungspolitischen Programmen wie dem jüngsten Schülerwettbewerb der Bundeszentrale für politische Bildung. Hier können vierte bis achte Jahrgänge ein Projekt zum „Geschlechtertausch“ bearbeiten. Der Projektanreißer suggeriert, die Schüler wüssten schon, „dass es auch Leute gibt, die sich nicht als Junge oder als Mädchen fühlen, nur weil das so in ihrer Geburtsurkunde steht!“
Der Rechtsruck ist eine Schimäre
Macht, Manipulation oder gar Tyrannei zu erkennen ist nicht jedem jederzeit gegeben, viel weniger noch, sich ihr mutig entgegenzustellen, zumal auf den Vereinzelten viele Umstände wirken, die ihn lieber stillhalten lassen. Mit dem Start der Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ im Februar 2023 und ihrer Signalwirkung weit über die Region hinaus ereignete sich ein erfrischender „Systemsprung“ aus der Pattsituation in einen neuen gesellschaftlichen Zustand (Anm. d. Red.: Die Autorin hat diese Initiative ins Leben gerufen, Achgut berichtete). Die Bürger sind am Zug, direkte Demokratie ist Hoffnungsträger geworden. Wo nämlich Beschwerden und Petitionen meist wirkungslos bleiben, stellen Volksentscheide bei Zustandekommen entsprechender Mehrheiten Rechtssicherheit her. Die Hamburger Volksinitiative machte Schule. Zur Zeit gibt es in Deutschland drei aktive Volksinitiativen mit demselben Tenor sowie vier weitere in den Startlöchern, Tendenz steigend. Und seither bewegt sich auch die Politik. Die zukünftige Koalition in Hessen kündigte an, Inhalte der dortigen Volksinitiative in ihren Koalitionsvertrag zu übernehmen, Markus Söder will Gendersprache in Bayern untersagen.
Dass es eine gebräuchliche Standardsprache gibt, die ohnehin für Repräsentanten des öffentlichen Sektors verbindlich gilt, erwähnen Genderprotagonisten nicht. Stattdessen brandmarken sie Verteidiger des Standardhochdeutschen als respektlose Antidemokraten, die Sprachverbote verhängen. So verschleiern sie, dass sie unter dem Deckmantel von Toleranz und Fortschritt den üblichen Sprachgebrauch absichtlich unterlaufen, um der Mehrheitsgesellschaft ihre Weltanschauung aufzuzwingen, Regelungslücken vortäuschend und laufend Fakten schaffend. Ihre Taktiken und Strategeme haben eine auffällige Strukturverwandschaft mit denen totalitärer Systeme. Einer Demokratie sind sie unwürdig. Die neuen Moralapostel klassifizieren Menschen nicht nur beim Gendern nach gruppenbezogenen Merkmalen, machen sie zu Sündenböcken, diskriminieren, grenzen aus (alte weiße Männer, Pandemie der Ungeimpften, Kinder als Virenschleudern).
Sie spalten, polarisieren, hetzen, machen Gendergegner als homophob, queerfeindlich, rechtsextrem verächtlich, und Denunziation wird wieder staatlich gefördert (siehe Amadeu Antonio Stiftung mit ihrer Meldestelle Antifeminismus). Auch auf EU-Ebene wird explizit in die Bekämpfung und Verfolgung von Gendergegnern investiert. Ein mit über 2 Millionen Euro gefördertes Projekt will bis Ende 2025 eine „Genauere Betrachtung des gleichstellungsfeindlichen Widerstands“ anstellen und „Strategien für einen demokratischen Gegenschlag“ entwickeln. Dieser richtet sich vor aller Augen gegen die Mehrheitsgesellschaft selbst, die in Sachen Gendersprache nachweislich so einig ist wie in keiner anderen Sachfrage.
Zwischen 80 und 90 Prozent der Befragten lehnen nach jüngsten Umfragen Gendersprache ab. Der Rechtsruck, der hier bekämpft werden soll, ist eine Schimäre; die in Deutschland maßgeblich von den Grünen proklamierte genderqueerfeministische Ideologie wird so rigoros durchgesetzt. Der Politologe Peter Graf von Kielmannsegg führt die Wirkmächtigkeit der Grünen auf ihre doppelte Agenda zurück: einerseits als Wahrer der natürlichen Lebensgrundlagen, andererseits als politische Speerspitze einer Bewegung mit kulturrevolutionären Zielen, zu denen auch die Sprachlenkung gehört.
Das Ergebnis liegt schon jetzt auf der Hand
Wer nicht gendern will, gehört zur „reaktionären Rollback-Fraktion“, ist zum rechten Rand offen, weshalb man gegen ihn eine undurchdringliche Brandmauer in Ansatz bringen muss. Die Brandmauer gegen Rechts besorgt unter anderem eine Dauerkrise und rechtfertigt den Alarmismus als Grundstimmung. Ohne die Brandmauer wäre die Macht der Grünen Schnee von gestern. Nun ist Sprache eine Selbstverständlichkeit wie die Luft zum Atmen und deshalb eigentlich keine Sache, über die Mehrheiten entscheiden müssten. Die erste große Gemeinschaft eines jeden ist die Sprachgemeinschaft. Die suchen wir uns nicht aus, werden vielmehr hineingeboren, werden schon vorgeburtlich durch Sprache geprägt, die eng verknüpft ist mit Identität, unentscheidbar.
Die Usurpation der Sprache ist nicht zuerst Nachweis der Stärke des Usurpators, sondern Zeichen der Schwäche der übertölpelten Angegriffenen. Die Spaltung der Gesellschaft in Sachen Gendern wird von Politik geschäftsmäßig betrieben und künstlich aufrecht erhalten. Dass der Usurpator schon so weit gekommen ist, heißt aber nicht, dass ihm die Herrschaft schon sicher ist, das Volk verlangt nach Legitimation. Bei einem Volksentscheid stimmt der Souverän über eine konkrete Sachfrage ab. Dies geschieht in Deutschland nach den Regeln der einzelnen Bundesländer, da es noch keinen bundesweiten Volksentscheid gibt.
Auf der unabhängigen Infoplattform (Anm. d. Red.: Betrieben von der Autorin, die mittlerweile keine offizielle Funktion mehr bei der Hamburger Volksinitiative hat) zu den Volksinitiativen gegen Gendersprache deutschlandweit erscheint mit einem Klick auf die Deutschlandkarte die jeweilige Statusinfo zu den einzelnen Ländern. Man kann sich für jedes einzelne Bundesland als Unterstützer registrieren. Die Volksentscheide, auch die in spe, sind das stärkste Signal und jetzt das Mittel der Wahl, um den Willen der Mehrheit in der Sache rechtswirksam umzusetzen: die Rückkehr zum Standardhochdeutschen. Das Ergebnis liegt schon jetzt auf der Hand.
Sabine Mertens ist Kunsttherapeutin und Autorin und leitet die AG Gendersprache im Verein Deutsche Sprache (VDS). Sie ist die Initiatorin einer Hamburger Volksinitiative gegen die Gendersprache in Verwaltung und Bildung.