Lokführer-Streik? Ändert das was?

Die Lokführer streiken, und die Bahn fährt nach einem Notfahrplan. Na und? Die Deutsche Bahn ist inzwischen in einem so desolaten Zustand, dass sich auch der Alltag wie im Notfahrplan anfühlt. Aber wenn gestreikt wird, sagt wenigstens die Gewerkschaft Bescheid, dass die Züge nicht fahren.

Ob der Streik gerechtfertigt ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Nach dem, was ich zu lesen vermag, verdienen Lokführer besser als ihre Kunden, aber auch nicht supergut, aber wer verdient schon supergut im Billiglohnland Deutschland, wo sich jeder zweimal überlegt, ob er nicht gleich Bürgergeld beantragt, statt sich aus dem Bett zu quälen, um die Familie zu ernähren und dann doch Steuern für die Unterstützung grüner Umsturzpläne zu bezahlen, an denen am meisten der Arbeitnehmer zu leiden hat.

Als der letzte deutsche Kampf-Öko bin ich aber mittlerweile nur noch genervt von der Bahn und frage mich, ob die Lokführer eigentlich richtig einordnen können, für was für ein marodes Unternehmen sie da arbeiten? Als selbstständiger Künstler, Musiklehrer und Chorleiter ohne Führerschein, der mit dicker Lehrertasche und Gitarre durch die Region reist, aber auch locker den Familieneinkauf aus Überzeugung mit Fahrrad und Anhänger macht, denke ich nun, wo ich schon fast ein alter weißer Mann bin, über einen Führerschein nach. Es ist nicht nur ärgerlich, was alles schiefläuft, welche Strecken gerade gesperrt sind, welche Oberleitungen kaputt, welche Züge ausfallen, weil kein Personal da ist, oder einfach zu spät kommen, weil plötzlich einsetzender Schneefall im Januar, Regen im Februar, Hitze im Sommer die Bahn durcheinander gebracht hat, in welchem Zustand die Züge auch Dank der merkwürdigen Fahrgäste vor allem im Nahverkehr sind, die beim Schwarzfahren nie nach den Papieren gefragt werden. 

Nein, es ist auch ganz konkret ein fnanzielles Problem für mich, denn mir gehen mittlerweile durch die Bahn Honorare verloren. Ich habe mir sowieso schon angewöhnt, möglichst überall eine Stunde früher zu sein, falls Verbindungen und Anschlüsse nicht klappen, 2023 hatte ich aber tatsächlich erste Einkommeneinbußen, weil ich Proben absagen musste, weil keine Züge fuhren und so ist es nun auch wieder. Und weiter erzählen mir meine ehemaligen Weggefährten, die Grünen, ich solle vom Auto auf die Öffis umsteigen? Ja, wie denn?

Im Dezember erst hatte ich einen Probenausfall, weil durch eine Baustelle eine Oberleitung gekappt war. Sehr erfrischend war da die Durchsage am Bahnsteig: „Verehrte Fahrgäste! Heute fahren keine Züge mehr, weil wir einen Oberleitungsschaden haben. Und Dieselloks haben wir ja nicht mehr!“ Ja, der Herr hatte Humor. Dann wartet man eine Stunde auf den angekündigten Schienenersatzverkehr, der auch nicht kommt. Dabei ist es nicht nur die Staatsbahn, die nicht funktioniert, auch so gut klingende Kleinunternehmen wie der „Heidesprinter“ lassen gerne mal einen Zug ausfallen und einen in der Heide stehen.

Beerdigung mit Verspätung

Mit ihrer Kundenunfreundlichkeit und fehlender Flexibilität macht die Bahn dann auch prompt noch ein Minusgeschäft, und hier ist es schon schwer, keine Schadenfreue zu empfinden. Kleines Beispiel gefällig? Im vergangenen Sommer war ich auf einer Rückreise von der Schweiz nach Norddeutschland. Die Karte hatte ich ein paar Tage vorher übers Internet gebucht. Viel früher als erwartet stand ich in Basel am Bahnhof und wartete auf meinen Zug. Zufällig (ich sage „zufällig“, denn nach dem Fahrplan fährt die Bahn ja sowieso nicht) fuhr ein ICE in Richtung Norden ein. Ich bat den Schaffner – heute sagt man, glaube ich, Zugbegleiter –, meine Karte umzubuchen, also ich wollte locker 20 Euro drauflegen, um eine Stunde früher in Richtung Norden zu fahren. Nein, das ginge gar nicht! „Warum nicht, die Bahn verdient doch dann etwas mehr?“ „So etwas machen wir nicht mehr!“ Also wartete ich auf meinen Zug, der mit zehn Minuten Verspätung kam. Kurz vor Frankfurt war die Verspätung dann schon eine Stunde. Dann blieb der Zug wegen einer Art Maschinenschaden an einem kleinen Bahnhof ohne Ortschaft im Niemandsland stehen. Ich kann mir leider nicht mehr merken, warum welcher Zug ausgefallen ist oder zu spät kam. Dort standen wir und warteten und warteten auf ein mobiles Reparaturteam. Immerhin bekam man einen kleinen Tetra-Pack Minderalwasser, denn es war sehr heiß. Man spazierte auf dem Bahnsteig, einige rauchten und ich erwartete einen Überfall von drei Halunken mit Westernhüten, so angespannt war der Sinn unter der flirrenden Sonne. 

Wir durften dann jedenfalls in einen völlig überfüllten Bummelzug umsteigen und zum Frankfurter Bahnhof fahren. Dort erreichte ich knapp einen anderen ICE, die letzte Möglichkeit, nach Hannover zu kommen. Jetzt war aber bereits der letzte Regionalzug weg. Also ging ich zum Info-Point und bemängelte, dass ich den Anschluss verpasst hatte. Ich bekam einen Taxi-Schein, und die Fahrt hinaus aufs platte Land kostete die Bahn 100 Euro! Das nenne ich mal eine richtig gute Preispolitik. Wer nicht hören will, muss fühlen.

Ich kam auch schon zu spät zu einer Beerdigung wegen der Bahn, ich hoffe, es hat den Toten nicht gestört. Oder ich hatte einen Zahnarzttermin und musste wieder umkehren, weil Züge ausfielen. Zum Glück war ich beschwerdefrei. Man gewöhnt sich an alles, denn irgendwie wundert es einen nicht, denn in Deutschland funktioniert ja vieles andere auch nicht mehr, warum soll es also mit der Bahn besser sein?

Also muss ich wieder Proben absagen. „Spar endlich auf einen Führerschein und ein Auto!“, sagt da eine Stimme in mir. Sie sagt auch: „Alle deine früheren Öko-Freunde fahren Auto, und sie fliegen sogar in den Urlaub nach Mexiko, nur du fährst mit der Bahn nach Dänemark!“ „Ja“, sage ich. „Aber hinter der Grenze fahren die Züge pünktlicher und ich will ja gar nicht nach Mexiko!“ „Aber erst mal bis zur Grenze kommen!“, sagt die Stimme.

Dänemark hat neuerdings auch Probleme mit der Bahn: Die Züge sind ständig ausgebucht. Die Dänen fahren so viel Bahn, dass sie sich schon extra Züge aus Deutschland leihen. Da man in Deutschland den Fahrplan eh nicht einhält, scheint man auch ab und an ein paar Waggons übrigzuhaben. Zu meiner eigenen Beerdigung werde ich hoffentlich mit der dänischen Bahn gebracht.

 

Snorre Martens Björkson schreibt Erzählungen, Romane, Hörspiele, Kindergeschichten, Theaterstücke und Songs. Er unterrichtet Klavier und leitet zwei Chöre. Privat beschäftigt er sich mit älterer Geschichte, germanischer Dialektologie und den besonderen kulturellen Wechselbeziehungen zwischen Deutschland und Skandinavien.

Foto: Pixabay

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Ralf.Michael / 10.01.2024

Das ist halt die Crux bei der ” Bahn “, seit dem Mehdorn wird das auch nix mehr. Hier bei mir, wenn ich mal Bahn ( JR-East ), Express oder Super-Express sind die zuverlässig und pünktlich auf die Sekunde. Kann man die Armbanduhr danach stellen ! Streik ? Gibt es nicht.

Frank Reichardt / 10.01.2024

Als leidgeplagter Nutzer der Bahn, der täglich mit der S-Bahn Bahn Berlin aus dem Umland zur Arbeit in die Stadt fahren muss, kann ich nur sagen: Ob die nun streiken oder nicht, das macht so langsam keinen Unterschied. Inzwischen gibt es fast keinen Tag in der Woche, an dem die S-Bahn nach Plan fährt. Gestern früh: Zugausfall wegen “kurzfristigen Personalausfalls”. Am Nachmittag dann Zugausfall wegen einer “Reparatur am Zuge”. Und natürlich wird immer um Entschuldigung gebeten. Diese Entschuldigungen stapeln sich bei mir im Keller bereits raumhoch. Ach, und (auffälligerweise gehäuft seit 2015) immer wieder Ausfälle “wegen eines Polizeieinsatzes”. Dazu noch verdreckte, stinkende und überfüllte Züge mit Obdachlosen, die ganze Abteile in Beschlag nehmen, nervenden Straßenmusikern, Bettlern und “Straßenfeger”- Verkäufern.  Der Zustand der DB AG ist symptomatisch für den des ganzen Landes. Und nun noch der Streik bzw. die Streiks, für die inzwischen niemand mehr Verständnis hat. Jedenfalls kenne ich persönlich niemanden. Herr Weselsky will sich vor seiner Berentung noch einmal so richtig “profilieren” und nimmt ein ganzes Land in Geiselhaft für Forderungen, die schlicht und einfach überzogen sind. Das, was die DB bisher angeboten hat ist bereits mehr, als die meisten anderen Berufsgruppen im Zuge der letzten Tarifverhandlungen erreicht haben. Weniger arbeiten und dafür noch mehr Geld, das ist keine gute Entwicklung in unserer Gesellschaft. Was kommt denn dann bei den nächsten Tarifverhandlungen: die Drei- Tage- Woche mit 60 Tagen Urlaub und 30 Prozent mehr Gehalt?!

Lutz Liebezeit / 10.01.2024

Der private Schienenverkehr ist mindestens genauso schlimm, wenn nicht sogar schlimmer.  Der moderne ÖPNV ist gleich als Dauerbaustelle konstruiert worden. Das sind generelle Probleme, die von der weltfremden Politik verursacht werden. Politiker sind weder Ingenieure noch Konstrukteure, das sind blasierte Linkshänder. Die würde kein Unternehmer einstellen.

Peter Holschke / 10.01.2024

Ein ehemaliger Bahnmitarbeiter offenbarte mir die Bedeutung der Abkürzung DB - Die Blöden. Schön wer eine berufliche Alternative hat, der Rest sind eben die Blöden, welche sich für ein korruptes und marodes Unternehmen abschuften müssen, welches nur noch auf Verschleiß gefahren wird. Offenbar ist der Obrigkeit die Mobilität des Pöbels,  nicht genehm. Soll die Kanallie doch in ihren Ghettos ... äh ... 15-Minuten-Städten bleiben, mit Vollüberwachung.

Sam Lowry / 10.01.2024

“Bahnhof in Baden-Württemberg: Jugendliche prügeln 52-Jährigen nach Streit zu Tode” usw. usw.

Else Schrammen / 10.01.2024

@ Rolf Mainz: Sie haben vergessen zu erwähnen, dass der Regionalzug, der Ihren ICA ausbremste, erst mal nicht weiterfahren konnte. Grund: Böschungsbrand. Und der ICE hätte eh nicht weiterfahren können, da die Weichen vereisr unter einer Schneedecke von mindestens 59 cm lagen. Fragen Sie mich aber bitte nicht, wie es zu einem Böschungsbrand kommt bei einer geschlossenen Schneedecke… Das weiß nur der liebe Gott oder, falls der auch ausfällt, die Bundesbahn.

Sam Lowry / 10.01.2024

Aktuell ist der Mainzer Hauptbahnhof gesperrt…

Boris Kotchoubey / 10.01.2024

Pünktlichkeit ist rächz

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