Durch den Migrationsgipfel wurde nun erstmals bekannt, wie viel Bund und Länder gemeinsam für direkte Kosten in Verbindung mit Flucht und Migration zahlen. 2023 sind dies 50 Milliarden. In den Medien und der Kommunikation konzentriert man sich auf die 7500 Euro Kopfpauschale. Doch die regelt nur, wie viel der Bund zusätzlich von den Kosten der Länder übernimmt.
Mit Milliarden umzugehen, rechnerisch und budgetär, ist schwierig. Ich habe keine Ahnung, was ich mir unter 50 Milliarden vorstellen soll. Ich habe noch nicht mal eine Million gesehen. Vielleicht ist das eine Erklärung dafür, dass man daran interessiert ist, dass auf dem Migrationsgipfel nun beschlossen wurde, dass der Bund ab nächstes Jahr 7.500 Euro Kopfpauschale pro Asylerstantrag an die Länder zahlt. Darunter kann man sich wenigstens etwas vorstellen. Es ist absolut unerheblich, ob Bund oder Länder zahlen. Steuergeld ist Steuergeld. Selbst wenn der Berater Christian Lindners, Lars Feld, gegenüber dem Handelsblatt sagt: „Es kann nicht angehen, dass sie andauernd mit neuen finanziellen Wünschen nach Berlin ziehen und den Bund wie eine Weihnachtsgans auszunehmen versuchen.“
Diese 50 Milliarden sind auch nicht neu. Beim Flüchtlingsgipfel im Mai rechnete Lindner noch vor, die Ausgaben für Flucht und Migration würden sich für das laufende Jahr auf knapp 27 Milliarden addieren, dann hatte man sich auf 28,6 Milliarden für den Bund und 19,6 Milliarden für die Länder geeinigt. Egal ist es trotzdem. Und viel zu niedrig gegriffen ist es auch. Die 50 Milliarden erscheinen nun plötzlich so hoch, da nicht mehr nur die Milliardenposten des Bundeshaushalts, sondern auch die Aufwendungen der Länder genannt werden. Es handelt sich hier allerdings nur um die direkten Kosten. Ab und an vermitteln statistische Meldungen einen Eindruck, wie hoch die Kosten wirklich sind.
Der Anteil ausländischer Familien mit Kindern an den bürgergeldempfangenden Familien liegt bei 62 Prozent, so berichtete es das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor einigen Tagen. Schätzt man, dass jeder Asylbewerber und Migrant 2.500 Euro im Monat an Transfer erhält und zieht von der Zahl der gestellten Asylanträge die Ausreisezahl abgelehnter Asylsuchender laut Ausländerzentralregister ab (und vernachlässigt mal den Unterschied zwischen Strom- und Bestandsgrößen und allerlei andere Dinge) so kostete die Migration von 2014 bis 2021 über 300 Milliarden Euro. Diese grobe Schätzung beachtet nicht die Kosten der vorher bereits seit Jahrzehnten erfolgten unqualifizierten Einwanderung, die der Aufnahme der Ukraine-Flüchtlinge, den Zustrom über die Balkanroute 2022, oder die zukünftigen Kosten der Versorgung der eingewanderten Kohorten im Laufe ihres Lebens. Allein für die Migranten von 2015 gehen die Schätzungen hier fast in die Billionen.
40 Milliarden für 2 Millionen Menschen
Gemäß dem Finanzplan des Bundes umfasst der Ausgabeposten für Flucht und Migration die Bekämpfung von Fluchtursachen, die Aufnahme, Registrierung und Unterbringung im Asylverfahren, Integrationsleistungen und Sozialtransferleistungen nach Asylverfahren. 40 Milliarden gibt der deutsche Staat somit im Inland für „Geflüchtete und Asylbewerber“ 2023 aus. Dem gegenüber stehen 400.000 Empfänger von Asylleistungen sowie eine unbekannte Anzahl an „Geflüchteter“, die Sozialtransferleistungen nach Asylverfahren erhalten – also Bürgergeld. Laut Migrationsmonitor der Bundesagentur für Arbeit erhalten 2,6 Millionen Ausländer Bürgergeld.
Die größten Gruppen der Sozialhilfeempfänger nach Nationalitäten deckt sich mit den größten Gruppen der Asylanträge nach Herkunftsländern. 2023 kamen die meisten Asylerstantragsteller aus Syrien, „sonstige“, Afghanistan, Türkei, Irak und Iran. Die größte Gruppe der ausländischen Bürgergeldempfänger machen Ukrainer aus, die keinen Asylantrag stellen müssen, gefolgt von Syrern, Türken, Afghanen, Irakern und Iranern. Geht man nun davon aus, dass der Anteil der geflüchteten Türken an der türkischen Gesamtbevölkerung ihrem Anteil an den Bürgergeldempfängern entspricht, und die anderen Nationalitäten ausschließlich „Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis Flucht“ umfassen, so machen die häufigsten Asylherkunftsländer 1,5 Millionen der 2,6 Millionen ausländischen Sozialhilfeempfänger aus.
Somit gibt der deutsche Staat 40 Milliarden für 2 Millionen Menschen aus. In Deutschland gibt es 22 Millionen Rentner. Die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung belaufen sich auf 350 Milliarden. Gemeinsam haben beide Ausgabeposten, dass die Anzahl der Zahlungsempfänger immer weiter zunimmt. Die Politik tut so, als wären Migrationsbewegungen so unvermeidbar wie der Alterungsprozess. Ebenfalls gemeinsam haben beide Ausgabeposten, dass sie Menschen alimentieren, die nicht arbeiten. Der Unterschied ist, dass die 22 Millionen Rentner mal gearbeitet haben und den zu verteilenden Wohlstand erwirtschaftet haben.
Durch Klassensprechertypen verursachte Krisen
Gemäß dieser Überschlagsrechnung gibt der Staat pro Kopf mehr für „Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis Flucht“, als für seine Rentner aus. Das wird auch so bleiben und die Differenz wird sich weiter ausdehnen. Seit 2016 haben sich die Ausgaben für Sozialtransferleistungen nach Asylverfahren mehr als verdreifacht, während das Netto-Rentenniveau bis 2036 sinken soll – und muss – und zwar um mehr, als der Rentenversicherungsbericht annimmt. Deutschland kann sich dieses Rentensystem nicht mehr leisten. Dieses Einwanderungssystem aber auch nicht, auch dann nicht, wenn gestern der Zustrom von Migranten in die Sozialsysteme gestoppt wird. Die deutsche Politik wird den Rentnern viel abverlangen. Das Migrationsproblem angehen – und zwar wirklich angehen – wird sie nicht. Wirtschaftlich wird das Ganze entschieden werden.
Ein Land ohne Industrie, ohne sichere Stromversorgung, mit sinkender Produktivität, steigender Inflation und Steuern und einem Regime der finanziellen Repression wird irgendwann feststellen, dass es egal ist, was Bund und was Länder an Kosten übernehmen. Wenn der Steuerzahler nicht mehr zahlen kann, ist es aus. Wenn die Politik die Probleme nicht mehr löst, schauen die Menschen zur Polizei, löst die Polizei die Probleme nicht mehr, blicken sie zum Militär, löst das Militär die Probleme nicht, so gehen die Menschen auf die Straße und lösen Probleme mit Gewalt. Die Verantwortungslosigkeit der politischen Entscheidungsträger hat dafür gesorgt, dass schon jetzt elementare Werte der liberalen Gesellschaft über Bord geworfen werden mussten, um die durch diese Klassensprechertypen verursachten Krisen zu lösen.
Douglas Murray beschrieb die aktuelle Situation, in der sich Kritiker der Politik der letzten Jahre gerade sehen, so, als habe man sie in den Pool geschmissen und frage sie nun, warum sie nass seien. Genau an diesem Punkt wollten wir nie sein. Doch die Verantwortungslosigkeit wird weitergehen. Wie skrupellos jene, die an der Macht kleben, vorgehen werden, zeigte zum Beispiel Merz‘ Äußerungen zu beim Zahnarzt sitzenden Asylbewerbern. Ohne mit der Wimper zu zucken, wird jene Partei, die für den Zustrom an Migranten verantwortlich ist, diese und jene, die schon länger hier leben, gegeneinander ausspielen. Um Verantwortungsethik ging es nie. Wir rasen auf eine Mauer zu. Eine Mauer von Verteilungskonflikten. Eine Mauer von Gewalt.
Dr. Lisa Marie Kaus war als Ökonomin im Europäischen Parlament tätig und promovierte zur Fiskalpolitik der Europäischen Union.