Niemand hat die Absicht, Schüler zur „Demo” zu treiben

Überall in Deutschland wird derzeit „gegen rechts" demonstriert. Beeindruckende Zahlen werden gemeldet. Mancherorts gibts dann aber doch Schönheitsfehler in der Form, in der die Teilnehmer zum regierungsfreundlichen Demonstrieren motiviert werden.

Folgt man den großen Medien, so füllen gefühlte Milliarden von Aufrechten seit einem geheimen Geheimtreffen am Wannsee (oder doch zumindest irgendwie in dessen Nähe) deutsche Straßen und Plätze, um zu demonstrieren. Für Demokratie und gegen Remigration. Mit letzterem meinen ja die, die eher unfreiwillig und zeitlich knappestmöglich das Unwort des Jahres popularisiert (Ohoh!) haben, regelmäßig etwas anderes, als der Bildungsbürger sich vielleicht aus seinen halbverschütteten Lateinerinnerungen zusammenreimen würde. Nein, nein, es ist ein „rechter Kampfbegriff“, eine „beschönigende Tarnvokabel“ usw. (Wer sich die volle Ladung gönnen möchte: Hier nachzulesen).

Dass die Aufforderung, von „Einigkeit und Recht und Freiheit“ zu singen, zum harschen Ausschluss von den Demonstrationen führen kann und auch und gern einmal zum Töten aufgerufen wird – im Dienst der großen Sache muss man über solche Quisquilien hinwegsehen. Immerhin, wegen des Tötungsaufrufs wird „ermittelt“, wegen eines „Anfangsverdachts“ gegen „Unbekannt“. Aber schon schwierig, wenn man so gar keine Grundlagen für Ermittlungen hat.

Wenn demonstrationsträge (an Schlimmeres wollen wir jetzt lieber mal nicht denken) Staatsdienende abseits stehen, gibt es glücklicherweise verantwortungsbewusste Politiker aus den demokratischen Parteien, die den Unwilligen die Notwendigkeit des Mitdemonstrierens (der Begriff „Mitlaufen“ ist für die Bösen reserviert) noch einmal explizit vor Augen führen. Die schöne Stadt Augsburg mit ihrer Oberbürgermeisterin ist da ganz vorn. Dabei sein ist alles.

Und es sollten auch alle dabei sein, wirklich alle. Nicht nur eine schwäbische Metropole wie Augsburg erledigt da die Hausaufgaben vorbildlich. So etwas kann man auch in der altmärkischen Provinz. Der Begriff Hausaufgaben – den man landläufig am ehesten mit Schule verbinden würde – ist da ein wunderbares Überleitungsstichwort. Anfang der Woche wandte sich Heike Herrmann, Direktorin der „Lessing-Ganztags & Gemeinschaftsschule Salzwedel“ mit einer wichtigen Mitteilung an die Eltern. Frau Herrmann, laut Eigendarstellung der Schule „verantwortlich für das gesamte pädagogische Konzept“, erklärt hier, nachdem es wohl zu „Informations-Verwirrungen“ gekommen sei, dass sie „über eine Veranstaltung informieren“ wolle, „die sich für unsere Schüler am 2. Februar 2024 bietet“. An diesem Tag finde „vor dem Kulturhaus eine Schülerdemo statt, bei der Schülerinnen und Schüler aller weiterführenden Schulen ein starkes Zeichen für Demokratie, Weltoffenheit und Vielfalt setzen wollen.“ Insbesondere „gegen Rechtsextremismus“ richte sich die Veranstaltung. Wer hätte das gedacht? Organisiert werde das Ganze vom „Bundesprogramm ‚Demokratie leben‘

„Wir möchten betonen, dass die Teilnahme freiwillig ist“

Von „9 bis 10“ dauere die „Demo“ an diesem Freitag, „Schüler, die daran teilnehmen möchten, werden für diesen Zeitraum vom regulären Unterricht freigestellt“.. Das dürfte auch den hartgesottenen kleinen Demokratiefeind ins Grübeln bringen. Und wenn er dann noch weiß, dass die eine oder andere Lieblingslehrkraft ebenfalls gern mal am Freitagvormittag Demokratie lebt und ein wohlwollendes Auge auf den engagierten Nachwuchs hat, ist der Anreiz doch gleich noch viel größer. („Es besteht auch die Möglichkeit, dass Schüler von Lehrkräften begleitet werden, die sich ebenfalls an der Veranstaltung beteiligen möchten.“)

Noch was? Auch ja: „Wir möchten betonen, dass die Teilnahme an der Demo freiwillig ist“. Für „alle anderen Schüler findet während dieser Zeit normaler Unterricht statt“. Sehr verlockend, sollte jetzt überhaupt noch jemand daran denken, nicht an der „Demo“ teilzunehmen. Dass der dann definitiv falsch liegt und im Gegensatz zu den lieben Kindern bei der verantwortlichen Pädagogin durch ist, wird im nächsten Satz des Schreibens noch einmal deutlich unterstrichen, sicher ist sicher: „Wir unterstützen die Schüler, die an der Demo teilnehmen möchten, in ihrem Engagement für demokratische Werte und die Förderung von Vielfalt“. Danach folgt Dank für Verständnis und Unterstützung der Eltern.

Solcherart rückengestärkt geht man doch gern zur „Demo“. Beutelsbacher Konsens? Wahrscheinlich nie gehört. Erinnerungen älterer Zeitgenossen an die besondere Art der freiwilligen Beteiligung an DDR-Aufmärschen? Druck? Was solls! Der Zweck heiligt die Mittel.

Dem Vernehmen nach wurden dann am Vortag des großen Ereignisses noch Plakate gemalt, während der Schulzeitzeit. Kleine „Demo“-Teilnehmer durften hier ihrer Kreativität freien Lauf lassen, der Rest hatte – Überraschung – eben Unterricht.

Immerhin, ein Aufgebot von über 300 „Schülerinnen und Schülern“, nicht nur von der Lessing-Gemeinschaftsschule, fand sich gestern vormittag in Salzwedel zusammen. Laut Überschrift der MDR-Berichterstattung  von den Schülern selbst organisiert. Oder doch von „Demokratie leben“,  wie es im Schreiben der Schulleiterin heißt? Na, vielleicht wurde da in der Eile etwas verwechselt. Motto jedenfalls: „Nie wieder ist jetzt“. Mit den großen Vergleichen sollte man zwar stets vorsichtig sein, aber hier liegen die „Schülerinnen und Schüler“ vielleicht gar nicht so weit daneben. Nur eben mit ihrer Selbstverortung in dieser fatalen, von ihnen offenbar unverstandenen Konstellation – die eine Schulleitung nicht nur gern absegnet, sondern eifrig mit ausbaut. Direktorin Herrmann ließ es sich nicht nehmen, selbst bei der „Demo“ dabei zu sein. Freigestellt hatte sie sich ja, also alles in Ordnung.

 

Dr. Erik Lommatzsch ist Historiker und lebt in Leipzig.

Foto: Bundesarchiv, Bild 183-21044-0131 CC BY-SA 3.0 de, Link

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Xaver Huber / 03.02.2024

Niemand weiß, wann es sein wird, doch letztlich sehen besagte Demonstranten einem ähnlichen Schicksal entgegen wie jene Viertelmillionen Menschen, die sich im Januar 1990 für “eine breite Einheitsfront gegen rechts“ (Neues Deutschland) mutmaßlich auf Wunsch der SED-Regierung instrumentalisieren ließen. \\\ Am Ende siegt (nahezu ausnahmslos) die Wahrheit.

Martin Müller / 03.02.2024

Dieses Anfachen der Menschen gegen den Klassenfeind, gegen Andersdenker zur Teilnahme an Demonstrationen kommt mir vor wie ein Revival aus DDR-Zeiten…....Die fast gleiche Art der Mobilmachung, die fast gleiche Art der Diffamierung und Ausgrenzung….Manche heutige Sätze der politischen Nomenklatura könnten so auch als original DDR-Jargon durchgehen. ...So verhalten sich Demokraten jedenfalls nicht.

Boris Kotchoubey / 03.02.2024

Spätestens seit Masken- und Testpflicht für die Kinder müsste eigentlich jedem klar sein, dass deutsche Schulen in einem viel höheren Maße totalitäre Einrichtungen sind als der deutsche Staat.

S. Malm / 03.02.2024

Und wie sie sich alle in ihrem Bessermenschentum suhlen… wie die Schweine im Bette (Animal Farm).

Wilfried Cremer / 03.02.2024

hi, das Thema ist der penetrante Missbrauch über Hierarchien, und der funktioniert bei Schutzbefohlenen am besten. Feucht läuft das bekanntlich ja genauso. Hauptsache, die Regenbogenfahnen sind dabei.

S.Buch / 03.02.2024

In der DDR 1.0 gab es für solcherlei Aufrufe zu Jubelaufmärschen pro (verachteter und verspotteter) Regierung und sonstigen systemkonformen Veranstaltungen den zutreffenden Begriff „freiwilliger Zwang“. Der erlebt unter den grünroten Nazis in der DDR 2.0 gerade eine Wiederauferstehung.

Klara Altmann / 03.02.2024

Hier schicken sie die Schüler auch zur Demo, ich weiß es von einem, der wusste noch nicht einmal wirklich, wofür diese Demonstration überhaupt sein sollte, irgendwie “gegen rechts” oder so. Eine neue alte Form des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, wohl beim ach so großartigen Vorbild Mao abgeschaut. Aber andere Diktaturen machten das Gleiche, zuletzt bei uns mit der FDJ (Freie Deutsche Jugend) in der DDR. Das “frei” in der Bezeichnung war dabei die offene und sprachpervertierende Verhöhnung der Jugendlichen, die keine wirkliche Wahl hatten. Was für eine Schande für die Lehrer, die das heute wiederholen, haben sie vielleicht in Geschichte gefehlt? Das Bildungsdefizit bei Lehrern ist schon das größte Problem, ganz offensichtlich.

Karl Vogel / 03.02.2024

In Frankfurt/Main fand soeben eine Pro-Palästina-Demo statt, bei der offenbar das Absingen von “From the river.. (nein, der Main ist nicht gemeint, der gehört ja sowieso schon dazu, danke Frau Merkel, danke Frau Bärbock, danke Frau Fäser) von der Stadt ausdrücklich nicht verboten war, ebensowenig wie der Spruch “Juden Kindermörder” (deshalb konnte die Polizei auch keine Verstöße feststellen). Erstaunlich , wie sich die Dinge in ganz kurzer Zeit ändern, vor kurzem noch erklärten die Machthabenden sinngemäß, diese Antisemiten remigrieren zu wollen, am besten auch alle Anverwandten… Aktuell gelten die jenigen, die (angeblich) entsprechendes fordern als die schlimmsten Staatsfeinde gegen die dann konsequenterweise am Montag mal wieder eine Demo stattfindet, bei der alle teilnehmen, die von Steuergeldern leben, das berüchtigte Bistum Limburg genauso wie die nicht minder berüchtigte AWO und die f.d.p. und die Hochschule für Musik und Tanz und so, die Stadt verkündet schon mal “der Nahverkehr macht Platz”.  Tröstlich: Die Bauern sind aktuell auch unterwegs, ihre Traktortour um den Flughafen wird aber vom HR heruntergespielt und ein wenig lächerlich gemacht. So wars wohl in der “DDR”, die Frage ist, haben wir 1953 oder 1989?

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