Nach dem Willen von EU und Bundesregierung sollen wir bald alle ein Smart Meter im Haus haben. Mit dem Wort „smart“ soll meist nur eine Mogelpackung hip verkauft werden. So wie hier.
Was sind Smart Meter? Ein Smart Meter besteht aus einem digitalen Stromzähler und später einem zusätzlichen Kommunikationsmodul, auch Smart-Meter-Gateway genannt. Der Smart-Meter-Gateway trennt das hausinterne Netz mit den intelligenten Verbrauchern, die vorhandenen Zähler und das Netz der Messstellenbetreiber und Stromlieferanten logisch und sicher voneinander. Das intelligente Messsystem soll dann den Stromverbrauch vorerst alle 15 Minuten erfassen und die Daten über eine gesicherte Internetschnittstelle täglich an den Betreiber des Stromnetzes und den Energielieferanten senden. Über eine App kann dann der Kunde irgendwann auch auf den Verbrauch zugreifen.
Später soll daraus ein Smart Grid, ein intelligentes Netz, entstehen, über das dem Stromkunden preiswerte Energie geliefert wird, wenn die Sonne scheint; über das er seine Geräte abhängig vom Preis betreiben und Netzstabilisierungsleistung über seine Batterie in Haus oder Auto gewinnbringend vermarkten kann. Da dies aber physikalisch bedingt nur in einem bestimmten Schwankungsbereich der Netzlast erfolgen kann, ist der Effekt des Smart Grids als Energiespeicher und -senke für Regelenergie entgegen den vollmundigen Ankündigungen der Energieexperten aus der Politik eher begrenzt. Das ist so wie die Ankündigung, dass bald die Akkus der E-Autos als Energiespeicher genutzt werden können. Weder ist diese Technik derzeit im Markt verfügbar, noch ergeben sich nennenswerte Effekte als Energiespeicher.
Bis Ende des Jahres 2025 muss der Austausch der alten Zähler gegen intelligente bei mindestens 20 Prozent der Stromkunden erfolgt sein, bis 2032 sollen alle Stromkunden intelligente Zähler erhalten haben.
Die Sicht der Politik
Sylvia Kotting-Uhl (Grüne, Geisteswissenschaftlerin und atompolitische Sprecherin der Grünen) im April 2021 an die AfD-Fraktion im Bundestag: „Allein Ihre Unfähigkeit, sich unter Energieversorgung etwas anderes als Grundlast vorzustellen, das ist so von gestern wie Sie selbst. Die Zukunft wird flexibler sein, spannender, ja, auch anspruchsvoller: nicht mehr nachfrage-, sondern angebotsorientiert…"
Das lag in Deckung mit dem Bundesumweltministerium, das schon am 1. April 2019 bei Twitter verkündete: „Grundlast wird es im klassischen Sinne nicht mehr geben. Wir werden ein System von Erneuerbaren, Speichern, intelligenten Netzen und Lastmanagement haben.“
Im Mai 2023 wurde mit großem Getöse das „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ verabschiedet. Es löste Teile des Messtellenbetriebsgesetzes und des Energiewirtschaftsgesetzes ab. Basis ist eine EU-Vorgabe von 2006, die ab 2011 schon in mehreren EU-Ländern umgesetzt wurde. In Deutschland begann der erste Einbau digitaler Zähler ab 2017. Allerdings scheiterten weitere Digitalisierungsbemühungen, weil die bereits verbauten intelligenten Zähler die Anforderungen an eine gesicherte Kommunikation nicht erfüllen konnten. Da war der Gesetzgeber mal wieder schneller als die Technik.
Mit der Technischen Richtlinie TR-03109 „Smart Meter Gateway“ von Juli 2023 vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) lagen nun auch Vorgaben für die Smart Meter Gateways vor, mit denen die Hersteller dieser Gateways eine Zertifizierung erlangen können. Die ersten Gateways sind seit Ende 2023 lieferbar. Jedes Gateway verfügt über genug Schnittstellen, um später auch Gas, Wasser oder weitere Zähler wie z.B. Wärmezähler bei Heizungen anzuschließen.
Natürlich bestehen auf internationaler Ebene ebenfalls Normungen, die diese Anforderungen erfüllen können. Warum das BSI hier einen nationalen Alleingang macht, entzieht sich meiner Kenntnis. Auf internationaler Ebene sind z.B. mit der DIN EN IEC 62872 solche Vorgaben weit fortgeschritten. Interessant zu wissen, dass sich solche Normungsgremien mit weit größeren Themenbereichen beschäftigen. So kann über einmal vorhandene Kommunikationswege der Lifecycle aller Produkte erfasst werden und als ökologischer Fußabdruck (Rohstoffe, Energieverbrauch, Schadstoffe…) jedem Produkt mit einer digitalen ID über den gesamten Lifecycle mitgegeben werden. Solche Profile können nun dem Nutzer oder Verbraucher dieser Produkte zugerechnet werden. Macht sich gut für Systeme zur Reglementierung und Kontrolle zulässiger oder überschrittener Emissionen des Verbrauchers, noch dazu völlig automatisiert…
Aktueller Stand der Smart Meter
Aktuell ist also der Stand so, dass bis 2032 jeder Stromkunde einen intelligenten Zähler eingebaut haben wird, mit dem dann der Stromverbrauch jedes Kunden im Minutentakt dem Kunden, dem Messstellenbetreiber und dem Netzbetreiber zur Verfügung gestellt wird.
Verglichen mit der Digitalisierung im Schulwesen könnte man sagen, dass bis dahin jeder Schüler ein iPad hat, das auch sicher ins WLAN und ein deutschlandweites Schulnetz eingebunden ist. Anwendungen, Internet? Kann kommen, muss aber noch nicht. Den Akkustand kann man aber ablesen.
Was der Netzbetreiber aber hat, sind Lastprofile seiner Kunden. Im Bereich der Verteilnetze, also dem, was bei uns im Haus an Strom ankommt, besteht nun die Möglichkeit, das Lastverhalten von einzelnen Kunden, Straßenzügen, Ortsteilen, Gemeinden, Städten mit einer hohen statistischen Wahrscheinlichkeit zu analysieren und zu modellieren, um darauf virtuelle Regel- und Steuerungsmechanismen anzuwenden. Da dies nur in einem bestimmten Schwankungsbereich der Netzlast erfolgen kann, liefert das Smart Grid einen – verglichen mit dem Bedarf eines voll auf Strom als Energieträger umgestellten Energiesystem – recht geringen Beitrag. Hier muss berücksichtigt werden, dass ja viele Industriebetriebe heute schon in maximalem Umfang Regelenergie zur Verfügung stellen. Diese wird in den nächsten Jahren aber abnehmen, da energieintensive Betriebe das Land sukzessive verlassen.
Die Kaskade als Rückversicherung im Netzbetrieb
Seit dem 1. Februar 2017 ist die VDE-Anwendungsregel VDE-AR-N 4140 für die Zusammenarbeit der Netzbetreiber in der Kaskade in kritischen Netzsituationen gültig. Diese definiert, wie das diskriminierungsfreie Abschalten von Netzsegmenten bei Netzengpässen in der Stromversorgung zu gestalten ist. Ohne die genaue Kenntnis des Lastverhaltens von Netzsegmenten kann es hier trotz Abschaltung zu einem Netzausfall kommen, weil das genaue Lastverhalten des Netzsegmentes nur grob bekannt ist. Eine detailliertere Kenntnis des Lastverhaltens bietet hier eine größere Sicherheit.
Vereinfacht gesagt: Wenn künftig also die Grundlastkraftwerke von heute nur noch teilweise ersetzt werden sollen und können (Kraftwerksstrategie der Ampel), kommt es immer öfter zu Stromversorgungsengpässen, die nicht mehr durch die Regelreserven des bisherigen Lastmanagements abgedeckt werden können. Dann zieht die Kaskade: 2h Abschaltung von Köln-Kalk, danach ist Köln-Deutz dran, dann der Erftkreis… Das kann aufgrund der Wettervorhersage so geplant werden, dass Sie wissen, wann es denn Sie trifft. Ganz schön komfortabel…
Hierzu passt auch das „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“. Es ermächtigt das BMWK von Herrn Habeck, Messstellen- und Netzbetreiber zu Zusatzleistungen zur Netzsicherung und zur Ermöglichung des Netzaufbaus nach einem Blackout zu verpflichten. Zudem kann aus dem Lastverhalten auch auf deutlich differenziertes Verbrauchsverhalten des Bürgers geschlossen werden. Betreibt er eine illegale Wallbox? Benutzt er einen zusätzlichen elektrischen Heizlüfter? Duscht er zweimal am Tag mit dem Durchlauferhitzer? Kocht er etwa dreimal am Tag warm? Ist sein Nachtverbrauch höher als der des Nachbarn? Ist sein Kühlschrank noch nicht A++++?
Das klingt nach Orwells 1984, ist aber im Sinne einer Verpflichtung des Bürgers zur Förderung der Demokratie mittels Unterstützung des Kampfes gegen den Klimawandel gut vorstellbar.
Die goldene Zukunft des "Smart Grid"
Schauen wir uns mal die Welt jenseits der 2030er Jahre an, die uns von Frau Kotting-Uhl versprochen wird:
Mit einem Aufwand von zig Milliarden € durch den Staat wurde die entsprechende Software-Infrastruktur zum Betrieb der Smart Grids von Netz- und Messstellenbetreibern geschaffen. Umfangreiche Gesetzgebungsverfahren begleiteten die Einführung, zusätzliche staatliche Stellen kontrollieren und maßregeln die Umsetzung. Die laufenden Kosten dieser aufwändigen Infrastruktur werden auf den Netzbetrieb umgelegt. Energie ist nicht preiswerter geworden.
Jeder Haushalt, jeder Betrieb ist in das Smart Grid eingebunden, die wesentlichen Verbraucher wie Wärmepumpen, Wallboxen, E-Autos, Waschmaschinen, Trockner, Durchlauferhitzer, Maschinen etc. sind ebenfalls intelligent. Für ältere Geräte gab es Betriebsverbote und Entsorgungsvorgaben. Speicher wie Elektrolysatoren, H2-Speicher mit nachgeschalteten H2-fähigen Kraftwerken oder diverse Batterien existieren, sind aber leider noch viel zu wenig, weil der Staat keine ausreichenden Marktanreize setzen konnte – sprich zu wenig Subventionen auf Steuerkosten für potenzielle Betreiber ausloben konnte.
Die Sonne scheint, der Wind weht, Strom ist billig. Nun geht es ab: Die volle Waschmaschine legt los, der seit drei Tagen gefüllte Trockner läuft an, Ihre Dusch-App sagt Ihnen: „Nun aber fein sauber werden“. Ihr Auto beginnt zu laden, die Tiefkühltruhe kühlt runter auf -23°. Schöne neue Welt. Der Strompreis orientiert sich natürlich nur rudimentär am Spotmarkt – Netzentgelte, Steuern, Umlagen, Abgaben werden auch hier fällig. Die Abgabe für das Smart Grid hat auch einen wachsenden Anteil an den Stromkosten. Am nächsten Tag Dunkelflaute – Sie ahnen es schon. Die Tiefkühltruhe sollten Sie geschlossen lassen, sie geht hoch auf -16°. Am Herd können Sie nur eine Platte nutzen, den Durchlauferhitzer nur in Stufe 1, das Auto wird gerade bis auf 20 kWh Restkapazität entladen.
Wenn Sie nun doch heiß duschen oder das Auto trotzdem vollladen wollen, bitte sehr. Dann zieht eben der Komforttarif.
Viele Stolperstellen
Der Weg in das goldene Smart Grid ist aber noch mit vielen Stolperstellen versehen: In einem Land, wo die Digitalisierung von Verwaltungen und Regierungsstellen seit Jahrzehnten trotz ganz vieler Digital-Staatssekretäre, Superminister und ambitionierter teurer und sinnloser Programme scheitert, wage ich folgende Prognose:
Das Smart Grid ist immer noch in der Umsetzung, zu hoch waren die bisherigen Entwicklungskosten, mehrere Anläufe sind schon gescheitert. Der intelligente Zähler hat ja schließlich auch 17 Jahre gebraucht. Immerhin ist es gelungen, mit primitiven Gateways die Zählerwerte extern verfügbar zu machen und externe Zugriffe auf intelligente Geräte zu ermöglichen. Die Kosten trägt der… raten Sie mal.
Es gibt intelligente Geräte für den Haushalt, die sind aber recht teuer. Für Wallboxen, Wärmepumpen oder andere stromintensive Verbraucher existieren gesetzlich vorgegebene primitive Steuerverfahren (wie für Nachtspeicherheizungen aus den alten Tagen), um Leistungsreduzierung oder Abschaltung steuern zu können – diskriminierungsfrei natürlich.
Schöne neue Energiewelt
Die Kaskadierung ist zum Standardinstrument im Netzbetrieb geworden. Es trifft uns aber normal nur ein- oder zweimal die Woche, in Zeiten von Dunkelflauten schon öfter. Die wenigen Betriebe, die es noch im Land gibt, haben diese Zeiten in flexible Arbeitszeitmodelle eingebettet; die steigende Subventionierung der Industriestrompreise soll die Firmen noch bei Laune halten. Das Lastverhalten des Stromkunden aus den Daten des intelligenten Zählers wird zu verschiedenen Tarifmodellen genutzt, um energiesicherheitsfeindliches Verhalten durch Preisanreize zu vermeiden. Es bilden sich Energiegemeinschaften, die z.B. gemeinsam kochen, waschen oder ein Auto nutzen. Hierzu gibt es verschiedenste Regelungen des Gesetzgebers, um die Menschen im Land vor den hohen Kosten eines individuellen Lebens zu schützen.
Insbesondere in Städten werden öffentliche Angebote von Energiegemeinschaften analog zu den Tafeln geschaffen, die als NGOs vom Staat finanziert werden. Basis ist dazu immer noch der „intelligente“ Zähler, auf dessen minutenscharfer Auswertung des Verbrauchs auch die verschiedenen Tarife zugewiesen werden, auf Verbrauchsfehler hingewiesen wird und die Abrechnungen erfolgen.
Nein, Sie werden nicht erzogen, es werden nur Kostenanreize gesetzt, wie das durchaus auch in anderer Form in anderen Bereichen ihres Lebens stattfindet. Welche Variante sehen Sie als die wahrscheinlichere an?
Wilhelm Stock ist Diplomingenieur im Fach Automatisierungstechnik, Bergmann und trotz Ruhestand in verschiedenen Projekten unterwegs.